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“Automatisierung ist der Schlüssel zu grünem Wasserstoff”

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Autor: Sina Ruhwedel

12. Juli 2022 | Auf dem Weg zu einer klimafreundlichen Energieversorgung definiert die Nationale Wasserstoffstartegie den aus erneuerbaren Quellen erzeugten grünen Wasserstoff als Mittel der Wahl. In den drei H2-Leitprojekten des Bundes erforschen Prof. Dr.-Ing. Alexander Fay, Helmut-Schmidt-Universität Hamburg, Prof. Dr.-Ing. Leon Urbas, TU Dresden, und Prof. Dr.-Ing. Michael Weyrich, Universität Stuttgart, wie eine nachhaltige Wasserstoffproduktion gestaltet werden kann und erklären im Interview mit dem atp magazin, warum Automatisierung dabei so wichtig ist.

Herr Prof. Fay, Herr Prof. Urbas und Herr Prof. Weyrich, Ihre Institute und Lehrstühle sind maßgeblich an den drei H2-Leitprojekten der Bundesregierung beteiligt. Wie hängen diese Projekte mit der Nationalen Wasserstoffstrategie zusammen?

Alexander Fay: Das Bundesministerium für Bildung und Forschung unterstützt die Ziele der Nationalen Wasserstoffstrategie mit drei Leitprojekten. H2Mare befasst sich dabei mit der Offshore-Produktion von Wasserstoff, TransHyDE erforscht den Transport von H2 und zu guter Letzt H2Giga, wo es um die serienmäßige Herstellung von Wasserstoff-Elektrolyseuren geht.

Woran genau forschen Sie innerhalb dieser drei Projekte?

Die Energiewende kann für Prof. Dr.-Ing. Alexander Fay mit konventionell erzeugtem Wasserstoff nicht gelingen.

Fay: Bislang werden Elektrolyseure für die Wasserstoff-produktion fast wie in einer Art vorindustriellen Manufak-tur einzeln hergestellt. H2Giga hat sich zum Ziel gesetzt, eine Serienfertigung von Elektrolyseuren zu erforschen, die nicht nur die Produktionszeiten, sondern auch die Produktionskosten deutlich reduzieren kann. Die H2-Herstellung wird so deutlich wirtschaftlicher. H2Giga besteht dabei aus einer Vielzahl von Verbundprojekten, die sich mit Material-, Fertigungs- und Skalierungsfragen befassen, wo auch die Automatisierungstechnik an vielen Stellen eine Rolle spielt. Zum einen steht die automatisierte Fertigung von Elektrolyseuren im Vordergrund und zum anderen die schnelle Inbetriebnahme fertiger H2-Produktionsstätten. Und bei Letzterem sind die Lehrstühle von Prof. Urbas und mir im Rahmen des Projekts eModule involviert.

Michael Weyrich: Der Schwerpunkt von H2Mare, an dem sich das Institut für Automatisierungstechnik und Softwaresysteme der Universität Stuttgart beteiligt, ist etwas anders gelagert und befasst sich vor allem mit Power-to-X-Verfahren, also der Umwandlung von Wasserstoff in andere chemische Stoffe, die sich leichter und sicherer über Pipelines oder Schiffe transportieren lassen. Und dabei steht aus Sicht der Automatisierungstechnik weniger die Fertigung der Komponenten für die Wasserstoff-Produktion im Fokus, sondern erst einmal das Zusammenspiel der einzelnen Module, wofür wir eine eigene Versuchs- und Forschungsplattform ins Leben gerufen haben. Wir stehen hier noch vor sehr grundlegenden Fragestellungen, denn Power-to-X-Verfahren auf dem Meer durchzuführen ist wesentlich komplexer, als dies an Land zu tun.

Gerade die Modularisierung bietet für die H2-Produktion laut Prof. Dr.-Ing. Michael Weyrich viele Vorteile.

Woran liegt das?

Weyrich: Mit der Windenergie greifen wir auf eine sehr volatile Energieerzeugung zurück, die darüber hinaus noch in einer sehr rauen Umgebung, eben dem Salzwasser des Meeres, stattfindet. Mit Blick z. B. auf die Logistik von Versorgungsstoffen oder eben dem Energiehaushalt wird hier eine sehr individuelle Prozessleittechnik benötigt, die damit umgehen kann. Erst wenn wir diesen Proof of Concept erbracht haben, geht es dann darum, wie wir die einzelnen Module effizienter herstellen können.

Leon Urbas: Ohne einen geeigneten Digitalen Zwilling funktioniert all dies allerdings nicht. Wir brauchen ihn besonders bei der Modularisierung zwingend, um z. B. die Daten, die während der Fertigung entstehen, verfügbar zu machen. Diese Daten brauchen wir für Betriebs-, Wartungs- und Instandhaltungsstrategien, die eine maximale Anlagenverfügbarkeit ermöglichen. Was mir allerdings davon abgesehen am Herzen liegt, sind die verfahrenstechnischen Schritte, die nicht das Herzstück der H2-Produktion, sprich die Elektrolyseure, betreffen.

Welche Schritte sind das?

Prof. Dr.-Ing. Leon Urbas hält es für unumgänglich, im Zuge der H2-Produktion auch die Verfahrenstechnik neu zu denken.

Urbas: Wenn wir beim H2Mare-Projekt bleiben, kommt mir sofort die Wasseraufbereitung in den Sinn, denn Salz-wasser ist aufgrund der Chlorevolution pures Gift für die Elektrolyseure. Außerdem gilt es, die entstehenden Gase aufzubereiten und ein Wärmemanagement auszuarbeiten, da diese Anlagen nicht bei Raumtemperatur funktionieren. Elektrolyseanlagen sind komplexe und hoch automatisier-te verfahrenstechnischen Anlagen, die mit regenerativen Energien unter sehr unterschiedlichen Lastbedingungen und Einsatzszenarien betrieben werden.

Ist das der wesentliche Unterschied zu automatisierungstechnischen Projekten in der produzierenden Industrie?

Urbas: Die hohe Volatilität der regenerativen Energien stellt Herausforderungen an die Prozessführung, zudem ist Wasserstoff ein sicherheitstechnisch anspruchsvolles Molekül. Dadurch ergeben sich nicht nur in der Instrumentierung andere Anforderungen, auch an die verwendeten Materialien und ihr Recycling. Hier gibt es große Lücken, weswegen auch Grundlagenforschung im H2Giga-Projekt fest integriert ist. Noch einmal: der Kern der H2-Produktion ist der Elektrolyseur, aber wir müssen die Umgebungsbedin-gungen mitbetrachten, um skalierbare Elektrolyseanlagen realisieren zu können. Deswegen ist auch eine Technik-folgeabschätzung Teil des Projekts eModule.

 


Weitere Beiträge zum Thema Wasserstoff und Automatisierung finden Sie in atp magazin 6/7-2022

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