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Erfolgreicher Auftakt für die Kongressreihe “Wasserstoff in der Praxis”

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Autor: Sina Ruhwedel

30. Juni 2022 | Der vom Vulkan-Verlag und der figawa organisierte 1. Fachkongress „Wasserstoff in der Praxis“ fand erfolgreich im Konferenzbereich der Messehalle 1 im Rahmen der wire & tube statt. Zwei Tage lang sprachen 17 Referentinnen und Referenten über aktuelle Entwicklungen der Branche, neue Technologien und innovative Anwendungsmöglichkeiten von Wasserstoff. Der Kongress wurde intensiv für Diskussionen und fachlichen Austausch genutzt.

 

Themenblock 1: Armaturen und Komponenten

Los ging der 1. Fachkongress “Wasserstoff in der Praxis” am 20. Juni mit einem Vortrag von Norbert Weimer von KLINGER Germany. Sein Thema führte die Teilnehmer ein in die Technik des Wasserstoffhochlaufs. „Wir müssen keine Angst haben vor dem Wasserstoff”, erklärte Weimer. Im Bereich der Dichtungstechnik zähle vor allem das Wasserstoff Know-How. Dichtungen seien schon heute bestens für die Wasserstoffnutzung geeignet; es gebe keine übermäßigen Herausforderungen bei der Abdichtung des “Öls der Energiewende”: “so gefährlich ist Wasserstoff gar nicht.”

Uwe Krabbe von der Kühme Armaturen GmbH betonte das hohe Interesse seitens der Kunden. Jeder frage inzwischen, ob Geräte „h2Ready“ seien. Fakt sei: die erste Stufe des Plans zur Beimischung in das Erdgasnetzwerk (0-20%) könnte schon jetzt erreicht werden – nur sei hierfür noch gar nicht genügend Wasserstoff verfügbar. Eine erste Endanwendung wurde ebenfalls besprochen: Wasserstoff im Bereich der Heizung von Wohngebäuden. Uwe Deptolla stellte technische Lösungen der Resideo GmbH zur Umrüstung von Erdgasbrennern auf die Verwendung mit Wasserstoff vor. Man sieht: ganze Fabriken werden umgerüstet und neue Produktlinien aufgebaut, um der Politkk zu signalisieren, dass der Hochlauf beginnen kann.

 

17 Referenten informierten auf dem Kongress "Wasserstoff in der Praxis" zu relevanten Aspekten.

17 Referenten informierten auf dem Kongress “Wasserstoff in der Praxis” zu relevanten Aspekten in verschiedenen Branchen.

Themenblock 2: Gasbeschaffenheit, Mess- und Regeltechnik

“Es fehlt uns an Normen” – diese Aussage von Michael Franz, R&D Director bei Honeywell, könnte die Überschrift des zweiten Themenblocks “Gasbeschaffenheit, Mess- und Regeltechnik” sein. Bei anhaltend vollem Saal berichtete Franz aus der Gaszähler-Praxis. Kürzlich hat Honeywell erstmals Zähler mit 100%igem Wasserstoff genutzt, üblicherweise liegt der Anteil bei ca. 30%. Mechanische Gaszähler seien gut für den Einsatz mit Wasserstoff geeignet, sofern der Anteil 10% nicht übersteige. Für alles Weitergehende fehle es bislang an Erfahrungen – und dem regulatorischen Rahmen.

Dr. Achim Zajc von der Meter-Q Solutions GmbH legte den Fokus auf die Nutzung von Wasserstoff in einer Erdgasinfrastruktur – eine “Herausforderung für die Bestimmung der Gasbeschaffenheit”. Je nach Messbedingungen können minimale Abweichungen erzielt werden. “Die Herausforderungen sind lösbar, nur nicht unter eichrechtlichen Bedingungen”, so Dr. Zajc. Er plädiert für eine Unterscheidung in der Beschaffenheitsbestimmung, denn eichrechtliche Normen könnten in weiter Ferne liegen.

Mathematische und physikalische Aspekte der Gasmessung erläuterte Dr. Jos van der Grinten von der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt in seinem Vortrag “Rückführbare Großgasmessung für nicht-konventionelle und erneuerbare Gase”. Ziel der Forschung ist es, Grundlagen zu schaffen, damit Großprojekte wie der European Hydrogen Backbone über die essenzielle Messtechnik verfügen.

Themenblock 3: Sektorenkopplung und Dekarbonisierung

Nach den ‘Tiefenbohrungen’ ging es nun um das große Bild. Hauke Hinners stellte das Wasserstoff-Leitprojekt TransHyDE vor. Es ist eines von drei Großprojekten des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz, das Forschungs- und Untersuchungsprojekte koordiniert. Kernthemen von TransHyDe sind Transport, Speicherung und Infrastruktur.

Samir Khayat, Geschäftsführer der Landesgesellschaft NRW.Energy4Climate, brach eine Lanze für die Landespolitik: beim Wasserstoff habe sie den Handlungsbedarf erkannt. Um bis 2030 klimaneutral zu sein, braucht NRW bis zu 104 TWh Wasserstoff pro Jahr. Das begreift Khayat als Chance: „Wir wollen Wasserstoff-Wirtschaftszentrum in Europa werden.“ Seine Organisation hilft Unternehmen bei der Umsetzung entsprechender Projekte.

Wasserstoff und dezentrale Kraft-Wärme-Kopplung

Klaus Payrhuber von der INNIO Group lenkte den Fokus auf “Wasserstoff in Verteilnetzen” und dezentrale Kraft-Wärme-Kopplung. Flächendeckende Elektrifizierung zur Defossilierung bedeute neuen Bedarf an dezentraler Stromerzeugung. Hier kommen dezentrale KWKs bzw. BHKWs ins Spiel, für die gilt: „Wasserstoff kann da einen sehr guten Job machen und hilfreich sein in der Verstromung.“

Mit zwei Nachrichten begann Dr. Achim Hilgenstock seinen Vortrag. Die gute: gleich gebe es Abendessen. Die schlechte: sein Thema sei CO2. Doch gerade der besitze Potential. CO2 nicht nur als Schadstoff, sondern als Wirtschaftsgut zu betrachten, lautet die Forderung. CCU sei in Deutschland zu lange vernachlässigt worden. Dabei zeigten Projekte wie „Westküste 100“ spannende Anwendungsmöglichkeiten, z.B. in der Methanolsynthese. Handlungsbedarf bestehe somit auch beim CO2; ein Genehmigungsrecht für Export oder Nutzung existiert nicht. Dabei ist sein Aufkommen massiv: allein die 53 Zementwerke in Deutschland produzieren 17 Mio. t jährlich.

Den optimistischen Abschluss verdankte der erste Kongresstag. Dr. Michael Neupert. Seine ‘Dinner Speech’ zog ein Fazit aus juristischer Sicht: „Alle haben Lust auf Wasserstoff, aber es gibt Desiderate im Bereich des Regelwerks.” Die Industrie brauche „eine belastbare Richtungsentscheidung“. Die beste Lösung für die Zeit bis dahin: „Man muss es selbst liefern“. Fixe regulatorische Rahmenbedingungen hält Neupert nicht für entscheidend, vielmehr seien unterbesetzte und -finanzierte Genehmigungsstellen offen für Konzepte seitens der Unternehmen: „viele Behörden reagieren positiv darauf“.

1. Fachkongress “Wasserstoff in der Praxis”: Zwei Tage geballtes Wissen!

Themenblock 4: Materialspezifische Fragestellungen und Integrität der Systeme

Ein prominentes Material für den Pipelinebau ist Stahl – das gilt auch für den Wasserstofftransport. Dr. Elke Wanzenberg von der Salzgitter AG gewährte in ihrem Vortrag Einblicke in die umfangreichen Wasserstoffprojekte des Stahlherstellers. Pipelines für Transport- und Verteilnetze, Speicherbehälter, Zuleitungen und Rohre werden hier h2ready . Die Gefahr der Versprödung ist gering, denn Wasserstoff kann – je nach Oberfläche – nur minimal in Stahl eindringen. Ein Glück, denn bis 2050 soll er bis zu 2.300 TWh/a transportieren.

Dr. Thorsten Späth, egeplast international GmbH, wechselte das Material: es ging um Kunststoff. Auch Kunststoffleitungen können Wasserstoff transportieren, solange der Druck nicht zu hoch ist. Die Gefahr der Permeation könne dabei sowohl ökonomisch als auch sicherheitstechnisch vernachlässigt werden, wiewohl sie beim Wasserstoff vorhanden sei. Sein Unternehmen arbeitet an innovativen Sperrschichten, welche die Emission transportierter Gase reduzieren. 28.000 km bis 2030, 53.000 km bis 2040 – das Rohrleitungsnetz dehnt sich durch den Wasserstoffhochlauf stetig aus. Wasserstofftransport kann umgewidmete Rohre zusätzlich belasten: “Was man irgendwann mal unter Luft getestet hat, ist nicht mehr das, was man mit Wasserstoff zu erwarten hat”, warnte Marion Erdelen-Peppler von der ROSEN Group. Deshalb macht ihr Unternehmen Molche h2ready, um Wasserstoffleitungen effizient auf Schadstellen überprüfen zu können.

Themenblock 5: Planung, Erzeugung und Anwendung

Armaturen, Messtechnik, Sektorenkupplung und Leitungen sind fundamental – doch woher kommt der Wasserstoff? Antworten gab Ulrich Trebbe, Sales Director bei der Bilfinger Engineering & Maintenance GmbH. Er berät Unternehmen bei der Realisierung ihrer Wasserstoffprojekte vom Skizzen- bis zum Anlagenstatus. Sein Vortrag analysierte typische Projektphasen, durch die Wasserstoff in die Praxis kommt und ein Business Case wird.

Wer noch glaubte, die Wasserstoffindustrie sei nicht “spannend”, wurde in Michael Steins Vortag eines Besseren belehrt. Sein Unternehmen EMS Elektro Metall Schwanenmühle GmbH produziert Stromschienen für die Hochstromtechnik. In “Elektrolyseur” steckt bekanntlich das Wort “Elektro”, und mehr Elektrolysekapazität bedeutet mehr Bedarf an Hochstromtechnologie. Stein zeigte, wie Material und Struktur eines Leiters Gesamtkosten senken und die Leistung erhöhen können.

Wie wirtschaftlich ist die Wasserstoffproduktion mit Elektrolyseur?

Tiefer in die Ökonomie führte Max Ellerich. Als Technical Director bei NeaGreen (Neumann & Esser Group) beschäftigt er sich damit, dezentralisierte Wasserstoffproduktion mit Elektrolyseur betriebswirtschaftlich darzustellen. Wie er zeigt, ist das nicht einfach: je nach Standort, Stromquelle und Nutzungsintensität variiert die Rentabilität. Ellerich gab konkrete Empfehlungen zur Effizienzsteigerung – hoffen wir, dass mitgeschrieben wurde!

Last but not least warf Heiko Schneider für die GoGaS Goch GmbH & Co. KG Fragen zur Heiztechnik auf. Gehen wir einen ‘thermischen Irrweg’? “Wir können das Gebäude von 1990 nehmen, mit seinen riesigen Wärmeverlusten, und einfach Wasserstoff einsetzen” – das dekarbonisiere, doch die Ineffizienz bleibe bestehen. Daher plädierte Schneider für effizientere Wärmepumpen oder “Dual Fuel Burner”, die von Methan- auf Wasserstoffbetrieb switchen können. Sein Schlusswort:  “Es gibt eine CO2-freie Lösung, man muss sie nur wollen.”


Weitere Informationen zum Kongress, Impressionen und Interviews mit den Ausstellern des 1. Fachkongress “Wasserstoff in der Praxis” finden Sie hier: Impressionen, Interviews und mehr

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