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Von Gas und Öl zu Wasserstoff: Fraunhofer ISI untersucht Umstellung von Volkswirtschaften

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Autor: Sophia Jenke

Der Umstieg von fossilen Energieträgern auf grünen Wasserstoff und dessen Derivate kann Verluste durch sinkende Öl- und Gasexporte für abhängige Volkswirtschaften abmildern.
© Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung ISI
Umstellung von Öl und Gas auf grünen Wasserstoff: Fraunhofer ISI untersucht Potentiale

26. Februar 2024 | Das Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung (ISI) hat in einer Studie untersucht, ob und in welchem Ausmaß der Export fossiler Energieträger durch den von grünem Wasserstoff und dessen Derivaten ersetzt werden könnte. Für die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) haben die Forschenden Saudi-Arabien, Kasachstan und Nigeria analysiert.

Fossile Brennstoffe werden zunehmend durch erneuerbare Energieträger wie grünen Wasserstoff ersetzt. Die ambitioniertesten Szenarien des Pariser Klimaabkommens gehen bis 2050 von einem Rückgang der Nachfrage nach fossilen Brennstoffen um bis zu 75 % im Vergleich zu 2019/20 aus.

Im Auftrag der GIZ haben Forschende des Fraunhofer ISI nun untersucht, welche Risiken und Chancen der Umstieg von fossilen Brennstoffen auf Power-to-X-Produkte (PtX) beispielhaft für Saudi-Arabien, Kasachstan und Nigeria mit sich bringen könnte. Ihre Ergebnisse haben sie in der Studie mit dem Titel „The role of green hydrogen in the energy transformation of fossil fuel exporters“ zusammengefasst.

Saudi-Arabien, Kasachstan und Nigeria sind laut den Untersuchungen derzeit alle stark, aber in unterschiedlichem Maße von Öl- und Gasexporten abhängig. Gleichzeitig weisen sie auch verschiedene Herausforderungen und Potenziale hinsichtlich der Diversifizierung ihrer Wirtschaftssysteme auf.

Die drei Länder im Vergleich

In Saudi-Arabien hatte der Export fossiler Brennstoffe 2021 einen Anteil von rund 24 % am Bruttoinlandsprodukt und rund 57 % an den gesamten Exporteinnahmen. Die Kosten für die Ölförderung im Land gehören zu den niedrigsten weltweit, wodurch Saudi-Arabien auf dem Weltmarkt sehr wettbewerbsfähig ist. Dennoch hat das Land schon begonnen, seine Wirtschaft zu diversifizieren. Die chemische Industrie wächst und es bestehen bereits Handelsbeziehungen für blaues Ammoniak mit Japan und Südkorea. Das Land habe ein besonders hohes Potenzial für Solarenergie, was niedrige Wasserstoffpreise ermöglichen könne. Außerdem könnten bestehende Gaspipelines für den Transport von Wasserstoff umgestellt werden, was einen zusätzlichen Wettbewerbsvorteil darstelle.

In Kasachstan macht der Handel mit Öl und Gas etwa die Hälfte der Exporteinnahmen aus (47 % im Jahr 2021). Die Produktionskosten für Rohöl liegen hier weit unter dem globalen Durchschnitt. Das Land verfügt außerdem über große Kohlevorkommen, weitere fossile Ressourcen und besitzt eine gut entwickelte Bergbauindustrie. Die metallverarbeitende Industrie könnte als Schlüsselsektor die Nachfrage nach grünem Wasserstoff zur Produktion von nachhaltigem Stahl vorantreiben. Das Land habe zudem ein vielversprechendes Potenzial für Windenergie, was kostengünstigen grünen Wasserstoff ermöglichen würde. Außerdem baue es derzeit seine maritimen Handelswege am Kaspischen Meer aus, was den Export von Wasserstoff erleichtern könne.

In Nigeria machten Erdöl und Erdgas 2021 mehr als 90 % des Nettoexportbudgets aus. Auch dort liegen die Kosten für die Rohölproduktion weit unter dem globalen Durchschnitt. Ähnlich wie in Saudi-Arabien bestehe in Nigeria ein großes Potenzial für Solarenergie. In dem, an den Atlantik angrenzenden Land, ist die verfügbare Landfläche jedoch durch die hohe Bevölkerungsdichte beschränkt. Des Weiteren könnte in Nigeria die Produktion von Düngemitteln in Zukunft ein Anwendungsfall für die Nutzung von grünem Ammoniak sein.

Wasserstoff könne Erlöse für fossile Brennstoffe nicht kompensieren

Um die Auswirkungen des wirtschaftlichen Wandels in den drei Ländern zu bewerten, führten die Wissenschaftler:innen eine sogenannte Input-Output-Analyse durch. Der Export fossiler Energieträger zählt bislang in allen drei Ländern zu den wichtigsten Industriezweigen. Bei einem Rückgang in diesem Bereich seien aufgrund von volkswirtschaftlichen Verflechtungen auch Auswirkungen auf andere Branchen zu erwarten.

Auch wenn die Zahl der Beschäftigten im fossilen Energiesektor derzeit vergleichsweise gering sei, sind Auswirkungen auf Wertschöpfung und Beschäftigung in anderen Sektoren zu erwarten, heißt es in der Studie des Fraunhofer ISI. Gezielte Strategien seien daher erforderlich, um langfristig den Verlust von Arbeitsplätzen in den betroffenen Sektoren auszugleichen. Der Aufbau eines Wasserstoffsektors könnte laut dem Institut hierbei langfristig zur Schaffung von Arbeitsplätzen beitragen.

In der Studie wird deutlich, dass in allen drei Ländern hohe Potenziale für die Erzeugung von grünem Wasserstoff bestehen. Auch wenn die zukünftigen Marktpreise für grünen Wasserstoff heute noch nicht feststehen, könne davon ausgegangen werden, dass die möglichen Erlöse nicht ausreichen, um die Verluste aus dem sinkenden Export fossiler Brennstoffe vollständig zu kompensieren. Dies läge vor allem daran, dass der für die Zukunft erwartete globale Bedarf an Wasserstoff und E-Fuels deutlich geringer ist als die derzeitige Nachfrage nach Erdöl und Erdgas.

„Dennoch kann der Aufbau eines Power-to-X Sektors die Folgen des Rückgangs der globalen Öl- und Gasnachfrage abmildern und signifikant zu einer nachhaltigen wirtschaftlichen Diversifizierung in den betroffenen Ländern beitragen“, bilanzierte Dr. Inga Boie, Projektleiterin der Studie am Fraunhofer ISI.

Zur Studie
(Quelle: Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung (ISI)/2024)

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