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Zukunft Gas veröffentlicht Positionspapier zum Gasumstieg

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Autor: Magnus Schwarz

04.Mai.2022 | Vor dem Hintergrund des Ukraine-Kriegs muss sich die Gaswirtschaft laut Zukunft Gas neu aufstellen. Priorität hat es, die aktuellen Bedrohungen der Gasversorgung abzuwenden sowie die Gewährleistung mittel- und langfristiger Versorgungssicherheit im Gassystem. Weiterhin gilt: Die Gasinfrastruktur ist ein flexibel nutzbares Energiespeicher- und Transportsystem, das in Zukunft in einer in weiten Teilen auf fluktuierende erneuerbare Energie basierenden Energielandschaft die Versorgungssicherheit gewährleistet. In den unternehmerischen Mittelpunkt soll deshalb ein Gasumstieg gestellt werden, der die Weichen für eine klimaneutrale und versorgungssichere Bereitstellung gasförmiger Energieträger legt.

  • Erdgas, erneuerbare und THG-arme Gase (Biogas, Biomethan und Wasserstoff) bilden eine wesentliche Säule der Energieversorgung in Deutschland und Europa. Mit einem Anteil von ca. 27 Prozent am Primärenergieverbrauch stellt Erdgas in Deutschland derzeit nach Mineral- und Heizöl den zweitwichtigsten Energieträger der deutschen Volkswirtschaft dar.
  • Hauptabnehmer sind die Industrie und der Wärmemarkt, in dem mehr als 20 Millionen Haushalte durch Gas und Fernwärme mit Wärme versorgt werden. Für die Industrie ist Erdgas mit Abstand der wichtigste Energieträger. Ein Gasausstieg würde die industrielle Basis der Volkswirtschaft und die Versorgungssicherheit von mehr als 20 Millionen Haushalten nachhaltig gefährden.
  • Ein All-Electric-Energiesystem als Alternative ist nicht nur kurzfristig nicht zu erreichen, es schafft auch keine sichere und resiliente Energieversorgung. Vielmehr birgt eine vollständige Elektrifizierung eine neue Verletzlichkeit hinsichtlich technischer Störungen sowie wachsender Angriffsrisiken für zielgerichtete Cyberkriminalität. Zudem ist die Frage, wie der damit stark wachsende Bedarf an gesicherter Stromerzeugungsleistung zukünftig gedeckt werden kann.

Deutschland und Europa wollen bis 2045 bzw. 2050 eine klimaneutrale Volkswirtschaft etablieren. Ein Schlüssel hierfür ist der Ausbau der erneuerbaren Energien, deren Anteil am Primärenergieverbrauch in Deutschland rund 16 Prozent beträgt. Der von Russland initiierte Krieg hat deutlich gemacht, dass man künftig neben Klimaneutralität verstärkt Energiesicherheit in den Fokus stellen muss. Die Energieträger und  dazugehörigen Infrastrukturen, mit denen der Staat 84 Prozent des Primärenergiebedarfs deckt, bedürfen entsprechender politischer Aufmerksamkeit, damit die Transformation zur Klimaneutralität sicher gelingen kann. Gas und seine Infrastruktur sind dabei Fundament für ein versorgungssicheres und resilientes Energiesystem.

Dr. Timm Kehler, Vorstand von Zukunft Gas, betont:

„Der russische Gas-Lieferstopp an Polen und Bulgarien ist ein Test für die europäische Solidarität. Er zeigt, dass die Gaslieferungen tatsächlich zum Spielball des politischen Kalküls von Russland geworden sind. Die Märkte reagieren bereits mit starken Preisausschlägen. Offensichtlich zielt das russische Vorgehen darauf ab, die Frage der Speicherbefüllung für den nächsten Winter in den Mittelpunkt der Diskussion zu rücken und den Westen so herauszufordern.

Um die Gasspeicherbefüllung kurzfristig zu beschleunigen, müssen wir jetzt das Thema Effizienz in den Blick nehmen. Wir müssen jetzt Gas sparen, damit wir im Winter genug haben. Ein weiterer wichtiger Baustein für eine stärkere Diversifizierung des Gasmarkts ist LNG. Dabei ist es wichtig, nicht nur auf eine kurzfristige Beschleunigung der Beschaffung über schwimmende Terminals, die sogenannten Floating Storage and Regasification Units (FSRU), zu setzen. Wichtig ist, dass auch langfristige Vertragsbeziehungen aufgebaut werden und insbesondere stationäre Terminals errichtet und hier die entsprechenden Maßnahmen hinterlegt werden.“

Handlungsempfehlungen der Gasbranche

Der angestrebte Gasumstieg zielt auf die Diversifizierung der Gasbeschaffungsquellen und den zügigen Umstieg auf grüne Gase. Im Mittelpunkt dieses Gasumstiegs sollenb der Kundenschutz und die Aufrechterhaltung eines wettbewerblich organisierten Gasmarktes stehen. Zukunft Gas will die Erreichung der Klimaneutralität bis 2045 sicherstellen und dies bezahlbar und versorgungssicher ausgestalten

Die marktwirtschaftlich organisierte Gasversorgung hat in den letzten Jahren ihre Effizienz und Anpassungsfähigkeit an veränderte Randbedingungen unter Beweis gestellt. Durch verschiedene Markteffekte ist es in den letzten Monaten zu erheblichen Preissteigerungen in den Gasmärkten gekommen. Eventuell kommt es infolge der aktuellen geopolitischen Entwicklungen zu weiteren Martkveränderungen, die Risiken für Gashändler und -versorger bergen. Die Bundesregierung sollte durch geeignete Maßnahmen sicherstellen, dass das etablierte Marktsystem in der Gasversorgung durch solche externen Schocks und resultierende Finanzierungsrisiken nicht gefährdet wird.

Senkung des Gasbedarfs durch Energieeffizienz

Niedrige Speicherfüllstände führen zu Verunsicherung und erhöhen die Verletzbarkeit des Gesamtsystems. Das politische Ziel, ausreichende Speicherfüllstände zu Beginn des kommenden Winters, begrüßt Zukunft Gas daher. Bei der Ausgestaltung der Speicherbefüllungs-Instrumente solle man auf eine marktorientierte Ausgestaltung setzen. Dabei möchte Zukunft Gas, dass die Speicherregulierung einem gestuften Grundsatz folgt. Im ersten Schritt agiert der Markt. Wenn das Marktgeschehen keine ausreichende Speicherbefüllung gewährleistet, sollen SOS-Maßnahmen zum Tragen kommen. Erst im letzten Schritt füllt der Marktgebietsverantwortliche die Speicher.

Ein zentraler Schlüssel zur Senkung der hohen Importabhängigkeit für Energieträger ist die Reduktion des Energiebedarfs durch Steigerung der Energieeffizienz. Effiziente Gastechnologien müssen durch zielgerichtete Verbraucher-Informationsangebote und Förderhilfen zu einer beschleunigten Marktdurchdringung gebracht werden. Die höchste Energieeinsparung pro Euro und Handwerkerkapazität bietet die Ablösung alter Gaskessel. Sie machen ungefähr die Hälfte des Bestands aus.

Neben dem  Vorantreiben der Heizungsmodernisierung mit moderner Gerätetechnik in Kombination mit Solarthermie und Photovoltaik, der Implementierung hocheffizienter Wärmeversorgungslösungen im Quartiersverbund sowie der Verbreitung von Energieeffizienz-Netzwerken sollte insbesondere ein Augenmerk auf die Verbreitung witterungsabhängiger Regelungstechnologien gelenkt werden. Diese nutzen– insbesondere im Gebäudebestand –
unter Einsatz KI-gestützter Systeme die Trägheit der Gebäudemassen zur Energiespeicherung intelligent. Hierbei kommt den Stadtwerken als vor Ort breit verankerte Umsetzungspartner ihrer Kunden eine wichtige Rolle zu.

Diversifizierung der Bezugsquellen

Um die Abhängigkeit Deutschlands von Gasimporten aus Russland zu reduzieren, ist der Aufbau diversifizierter Gasbezugsquellen laut Verband unabdinglich. Auch die politische Entscheidung über den Stopp der Gaspipeline Nord Stream II trägt diesem Gedanken Rechnung. Die Diversifizierung der Gasbezugsquellen erfordert Realismus bezüglich der Gasmengen und des Zeitbedarfs, um alternative Bezugsquellen vertraglich zu sichern.

Zur Diversifizierung kann man Bündel von Maßnahmen koordiniert umsetzen. Hierzu gehört die Stärkung der inländischen Gasförderung mit einem Förderziel von rund 6 bcm pro Jahr. Weiterhin fordert Zukunft Gas die Entwicklung mehrerer LNG-Terminals. . Zudem bedürfe es der Absicherung der Transformationsrisiken, um eine zukünftige Umrüstung von LNG-Terminals für die Nutzung von Wasserstoffderivaten zu ermöglichen. Dazu ist der Aufbau langfristiger Liefervereinbarungen mit LNG-Exporteuren voranzutreiben.

Des Weiteren zählen die beschleunigte Erschließung des europäischen Biogaspotenzials und dessen Nutzbarmachung in den Gasnetzen sowie ein zügiger Wasserstoffhochlauf zu Maßnahmen, die Gasbezugsquellen diversifizieren.

Langfristige Versorgungssicherheit und Klimaneutralität

Für die langfristige Absicherung der Gasversorgungssicherheit sowie zur Erreichung des Klimaneutralitätsziels bis 2045 ist die Entwicklung eines tragfähigen Transformationspfads für Gas zentral ür die Sicherheit des Energieversorgungssystems, gerade aufgrund hoher Anteile fluktuierender Erneuerbarer Energien. Die Gaswirtschaft setzt sich das Ziel, innerhalb der nächsten sechs Monate einen zeitlich und mengenmäßig strukturierten Fahrplan für die Transformation der heutigen Erdgaswirtschaft hin zu einer Gaswirtschaft basierend auf Biomethan und Wasserstoff zu entwickeln.

Hierbei will der Verband alle Teile der Wertschöpfungskette in den Fokus nehmen. Er möchte aufzeigen, wie man die Erzeugung von erneuerbaren und CO2-armen Gasen einschließlich blauen und türkisem Wasserstoff beschleunigen kann. Zukunft Gas will zudem die Infrastrukturen für Transport und Verteilung aufbauen sowie mit Abnehmern geeignete Instrumente entwickeln, um parallel die Nachfrage hochzufahren. Dieser Transformationspfads stärke die Dialogfähigkeit mit den politischen Entscheidungsträgern auf allen politischen Ebenen. Dies könnte einen messbaren Beitrag für Resilienz, Versorgungssicherheit und Klimaschutz im Energiesystem leisten.

 

(Zukunft Gas/2022)

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